Der integrierte Strategieprozess
Voraussetzung für den erfolgreichen Einsatz von OKR
Einleitung
Wenn “Objectives & Key Results” die Lösung ist. Was ist dann das Problem? Nun, die relevante Frage, mit der sich zahlreiche Organisationen (sowohl Unternehmen als auch Institutionen der öffentlichen Verwaltung) aktuell beschäftigen, lautet: “Wie können wir Strategien in einem komplexen Umfeld agil und erfolgreich umsetzen?”
Mit dieser Frage hat sich Andy Grove (ehemaliger CEO von Intel) bereits in den 1970er Jahren beschäftigt und auf Basis von Peter Druckers “Management by Objectives”-Ansatz (Führen durch SMARTe Ziele) “Objectives & Key Results” (OKR) entwickelt, um Strategien agil zu realisieren.
Bei OKR handelt sich um einen stringenten strukturierten Prozess der Definition der strategisch relevanten Ziele sowie der agilen Strategieverfolgung und -realisierung.
Im Wesentlichen geht es bei OKR um die Beantwortung von zwei entscheidenden Fragen:
- “Was ist unser Ziel (für das nächste Quartal), was wollen wir erreichen?” (“Objectives”)
- “Wie können wir messen bzw. erkennen, dass wir das Ziel erreicht haben?” (“Key Results”)
Um in der aktuellen “VUCA-Welt” (“volatility”, “uncertainty”, “complexity”, “ambiguity”) erfolgreich bestehen zu können, benötigen Organisationen entsprechende VUCA-Elemente in ihrem Führungs-System. Die erforderlichen VUCA-Führungs-Elemente beinhalten:
- V: Vision (Leitbild mit Purpose, Vision, Mission Leitsätzen, Werten) ,
- U: Understanding (Verstehen, Transparenz: Die Voraussetzung, dass Führungskräfte und Mitarbeitende ihren Wertbeitrag zur Strategieumsetzung leisten können, ist, dass sie die Strategie kennen und verstehen).
- C: Clarity (Strategische Klarheit: Je klarer, greifbarer und verständlicher die strategischen Ziele für alle Beteiligten sind, desto mehr Orientierung, Fokussierung, Sicherheit und Inspiration gibt die Strategie in der Umsetzung).
- A: Agility (Agilität: “Gewandtheit, Wendigkeit oder Beweglichkeit von Organisationen und Personen bzw. in Strukturen und Prozessen. Fähigkeit, flexibel auf unvorhergesehene Ereignisse und neue Anforderungen adäquat zu reagieren.”
Um OKR als geeignetes Rahmenwerk für die agile Strategie-Umsetzung einzusetzen, ist es unseres Erachtens absolut notwendig, die richtigen spezifischen strategischen Ziele vorab zu definieren. Doch wie werden die relevanten strategischen Ziele abgeleitet?
In der Praxis hat sich dafür der “integrierte Strategieprozess” nach Horváth & Partners als eine der best-practice-Vorgehensweisen herausgestellt.
Grundsätzlich dienen Strategieprozesse dazu, “eine strukturierte Reflexion und Diskussion über das zukünftige Vorgehen zu etablieren und auf dieser Grundlage Entscheidungen abzuleiten. Sie sollten gewährleisten, dass alle wesentlichen Fragestellungen adressiert werden, die für eine erfolgreiche Zukunft nötig sind. Was macht das Unternehmen heute anders und besser als der Wettbewerb?
Was sollte es in Zukunft anders und besser machen”.
In der Praxis fehlt allerdings oft das Verständnis für einen stringenten Strategieprozess, so dass man zwar oft auf einzelne strategische Elemente trifft – nicht jedoch auf einen stringenten Strategie¬prozess, der alle relevanten Bestandteile integriert.
Deshalb verfolgt dieser Fachartikel das Ziel, die Relevanz des integrierten Strategieprozesses für die erfolgreiche agile Strategie-Umsetzung mit OKR herauszustellen.
Management Summary
In order to use Objectives and Key Results (OKR) as a suitable framework for agile strategy implementation, it is absolutely necessary to define the right strategic goals in advance.
But how are the relevant strategic goals derived?
In practice, the “integrated strategic process” according to Horváth & Partners has proven to be one of the best-practice approaches for this.
Basically, strategic processes serve to establish a structured reflection and discussion about the future course of action and to derive decisions on this basis. They should ensure that all essential questions are addressed that are necessary for a successful future.
What does the company do differently and better than the competitors today? And what should it do differently and better in the future?
In practice, however, there is often a lack of understanding of a stringent strategic process. Thus, one often encounters individual strategic elements – but not a stringent strategic process that integrates all relevant components.
The goal of this article is therefore to clarify the relevance of the integrated strategic process for successful agile strategy implementation with OKR.

Integrierter Strategieprozess
Auch wenn in der einschlägigen Literatur und in der Managementpraxis die Phasen des Strategie-prozesses unterschiedlich definiert sind, so unterteilt man den Strategieprozess i.d.R. in verschiedene Teil-Prozesse wie z.B. Strategie-Entwicklung, Strategie-Kommunikation, Strategie-Umsetzung und Strategie-Kontrolle.
Kaplan & Norton haben bspw. 2008 in ihrem Buch “The Execution Premium. Linking Strategy to Operations for Competitive Advantage” einen systematischen Strategieentwicklungs- und Umsetzungsprozess – bestehend aus 4 Teil-Prozessen – vorgestellt und erläutert.
- Formulierung der Vision, Mission, Werte (Leitbild-Entwicklung).
- Strategieentwicklung (Strategische Analysen, Strategieformulierung).
- Strategiedarstellung (Visualisierung der Strategie mit Hilfe von Strategy Maps / Road Maps).
- Planentwicklung (Definition der strategischen Maßnahmen, Finanzierung der Strategie, Festlegung der Verantwortlichkeiten).
In unseren zahlreichen Strategie-Workshops haben wir mit dem “integrierten Strategieprozess” nach Horváth & Partners sehr gute Erfolge erzielt, als es z.B. um die Entwicklung einer Digitalisierungs-Strategie oder etwa um die Implementierung einer “Balanced Scorecard” ging.
So wie bei der Balanced Scorecard (BSC) die “richtigen” strategische Zielgrößen als Input benötigt werden, so werden auch beim erfolgreichen Einsatz von OKR die richtigen (spezifischen) strategischen Ziele benötigt, um die entsprechenden Objectives & Key Results pro Quartal abzuleiten.
Im Folgenden wird deshalb zuerst der integrierte Strategieprozess vorgestellt (siehe Abbildung 1); danach erfolgt die Erweiterung des Strategieprozesses um OKR.
Aus Abbildung 1 geht hervor, dass nach Horváth & Partners der integrierte Strategieprozess aus drei Kernelementen besteht:
- Strategische Analyse
- Strategischer Rahmen und
- Strategisches Zielsystem.
Strategische Analysen
Strategische Analysen bilden den Ausgangspunkt für die Strategieentwicklung. Um die richtigen strategischen Ziele zu definieren, benötigt man ein umfassendes Verständnis der eigenen Ausgangslage sowie des Marktumfelds.
Die Betrachtung der eigenen unternehmens-internen Stärken und Schwächen (“Strengths & Weaknesses”) sowie der unternehmens-externen Chancen und Risiken (“Opportunities” & “Threads”) ist von fundamentaler Bedeutung für die Strategiearbeit.
Gleichwohl stellen wir bei unseren Beratungsprojekten immer wieder fest, dass im Rahmen der Strategieentwicklung systematische SWOT-Analysen häufig nicht durchgeführt werden.
Dies hatte oft zur Folge, dass zum einen die Beteiligten des Strategie-Workshops kein einheitliches Verständnis über die internen Stärken und Schwächen und über die unternehmens-externen Chancen und Risiken besaßen; zum anderen waren die definierten strategischen Ziele nicht spezifisch (im Sinne der SMARTen Ziele ), sondern vielfach sehr generisch (allgemeine Unternehmensziele).
Wenn man seine eigenen Stärken und Schwächen sowie die unternehmens-externen Chancen und Risiken nicht genau kennt, wird man kaum in der Lage sein, unternehmens-spezifische strategische Ziele zu definieren, so dass die eigene Strategie sitzt wie ein Maßanzug (“tailor-made Strategy”).
Wenn die eigene Strategie auch anderen Organisationen passt, kann sich das Unternehmen nicht von den Wettbewerbern positiv abheben.
Strategischer Rahmen
In den Unternehmen, die Ressourcen investiert haben, um eine systematische SWOT-Analyse durchzuführen, kommt es bisweilen vor, dass unmittelbar nach der Durchführung und Auswertung der SWOT-Analyse sofort strategische Maßnahmen (Projekte) bestimmt werden.
Über den strategischen Rahmen des Unternehmens hingegen macht man sich nur wenige oder gar keine Gedanken. Ein solches Vorgehen birgt gleichwohl das Risiko, wichtige strategische Fragestellungen zu übersehen. Insbesondere sehr aktionsgetriebene Führungskräfte unterliegen der Versuchung, Strategieprozesse möglichst schnell zu durchlaufen, um sich schließlich wieder dem operativen Geschäft widmen zu können.
Der notwendige strategische Rahmen eines Unternehmens wird durch folgende Elemente gebildet:
- Leitbild mit Purpose, Vision, Mission und Leitsätze ,
- Geschäftsmodell (für die Entwicklung bzw. Analyse eines Geschäftsmodells bieten sich verschiedene Ansätze an wie z.B. das „Business Modell Canvas“ von Osterwalder & Pigneur oder das „7K-Prinzip – Die DNA erfolgreicher Geschäftsmodelle“ nach Horváth & Partners),
- Zielsystem des Unternehmens.
Der strategische Rahmen ist von hoher Bedeutung für die strategische Ausrichtung des Unter-nehmens („Strategic Alignment“), denn er fungiert als Polarstern: Er gibt Orientierung und Fokussierung, indem er die Energie aller Mitarbeitenden in eine gemeinsame Richtung lenkt.
Strategisches Zielsystem
Das strategische Zielsystem ist das Kernelement für die erfolgreiche Strategie-Umsetzung.
Es beinhaltet folgende Bestandteile:
- Strategische Ziele (Was müssen bzw. wollen wir erreichen?),
- Messgrößen (Mit welchen Kennzahlen kann die Zielerreichung festgestellt werden?),
- Zielwerte zur Quantifizierung der Ziele und Messung der Zielerreichbarkeit,
- strategische Maßnahmen zur Zielerreichung.
Wenn es gelingt sowohl Führungskräfte als auch Mitarbeitende auf gemeinsame Zielsetzungen einzuschwören, schafft man damit die Grundvoraussetzung, anders und besser zu werden als die Wettbewerber.
Da sich die strategische Planung auf einen längeren Zeitraum bezieht (z.B. 3-5 Jahre – bei einigen Organisationen umfasst der Planungshorizont sogar bis zu 10 Jahre), stehen die Organisationen vor der Herausforderung, ihre strategischen Ziele in einem komplexen Umfeld erfolgreich zu realisieren.
Um genau diese Herausforderung erfolgreich zu meistern, bietet es sich an, OKR als Framework für die agile Strategie¬umsetzung anzuwenden: Durch den Einsatz von OKR können sowohl Unter-nehmen als auch Non-Profit-Organisa¬tionen oder auch einzelne Geschäftsbereiche ihre Strategie erfolgreich und agil umsetzen. Durch die iterative Vorgehensweise, welche sich z.B. auch beim agilen Projekt¬manage¬ment mit Scrum bewährt hat, ist man in der Lage auf unvorhergesehene Ereignisse und neue Anforderungen oder Veränderungen adäquat zu reagieren oder sogar proaktiv agieren.
Objectives & Key Results als Framework für die agile Strategieumsetzung
Mit Hilfe von OKR können Organisationen ihre Strategien agil, iterativ und erfolgreich realisieren, indem rollierend quartalsweise 3-4 strategisch relevante Ziele (Objectives) definiert und mit jeweils 2-4 konkreten Ergebnissen pro Ziel (Key Results) messbar hinterlegt werden. Für die Umsetzung der Objectives werden schließlich Maßnahmen (Projekte) ausgewählt, die z.B. mit Scrum agil bearbeitet werden.

Abbildung 2 verdeutlicht, wie wichtig es ist, den integrierten Strategieprozess zu durchlaufen, um die richtigen spezifischen strategischen Ziele zu definieren. Die strategischen Ziele dienen als “Leit-planken” und werden als Inputgrößen für die Ableitung der Objectives (“Was soll in dem folgenden Quartal erreicht werden?”) benötigt.
Falls die strategischen Ziele zu generisch sind oder sich sogar als falsch erweisen, kommt auch OKR als Framework für die agile Strategieumsetzung an seine Grenzen. “Garbage in. Garbage out”.
Abschließend soll in Abbildung 3 noch einmal verdeutlicht werden, dass die “richtigen” spezifischen strategischen Ziele vorab definiert sein müssen, um die Strategie schließlich mit OKR erfolgreich und agil zu realisieren.

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